Lebensphasen

 

 

Dem Neugeborenen wurde kurz nach der Geburt mit wenigen Tropfen Wasser das Zeichen des Kreuzes auf den Körper gespritzt. Falls das Neugeborene plötzlich verstorben wäre, hätte dieser Akt schon als Taufe gegolten. Kurz nach dem Bad bzw. der Waschung des Neugeborenen wurde dieses, im Falle eines Mädchens in ein Herrenhemd, im Falle eines Knaben in einen Frauenrock gewickelt. Mit dieser Handlung wollte man die bösen Geister, welche dem Neugeborenen Schaden zufügen wollten, irritieren. Die Säuglinge schliefen oft in  Wiegen (zibala), welche mit einem aus Windeln gefertigten, dreifingerdicken Band umbunden waren. Den Säugling versuchten die Slowenen im Raabgebiet mit verschiedenen Methoden vor dem bösen Blick, vor Schrecken und Vampiren (Alben) zu schützen. Damit das Neugeborene schnell und gesund wie Gras wachsen konnte, warf man in Slovenska Ves / Rábatótfalu die Nabelschnur des Säuglings auf die grüne Wiese. Dem Volksglauben zufolge erschienen am Tag der Geburt weibliche Dämonen, sog. Schicksalselfen (sójen/i/ce, sóudice, rójenice), und prophezeiten dem Säugling sein Schicksal. Die Elfen erschienen zu dritt unter dem Tisch, auf welchen man ihnen zuvor einen Laib Brot und ein Glas Wasser hingestellt hatte. Niemand ausser Bettlern und Dienern durfte die Schicksalselfen belauschen oder gar sehen.

 

Die Hebamme und die Patentante brachten am zweiten oder dritten Tag nach der Geburt das Neugeborene zur Taufe. Heute wird der Säugling erst am sechsten oder siebten Tag getauft. Die Pateneltern brachten dem Neugeborenen und der Wöchnerin Geschenke (Brezel, Strudel, gekochtes Hühnerfleisch, rohes Fleisch, Nudeln und Wein). Den Korb mit den Geschenken trugen sie vorwiegend auf dem Kopf. Das Tauffest wurde am Tage der Geburt oder am folgenden Sonntag entweder im Geburtshaus oder in der Kneipe abgehalten. Der Festschmaus, an welchem die Pateneltern, Geschwister, Eltern und der engere Familienkreis teilnahmen, dauerte meistens einen halben Tag.

 

Der Säugling war zahlreichen Gefahren ausgesetzt. Falls die Brust des Neugeborenen anschwoll und daraus Milch tropfte, deutete man dies als Zeichen dafür, dass der Vampir (Alb) den Säugling „anzapfte“. Um sich dagegen zu schützen, gab man Sicherheitsnadeln, eine Pfeife und Zigaretten in die Wiege. Die Krankheiten, welche den Säugling befielen, schrieben die Slowenen im Raabgebiet dem „bösen Blick“ zu. Um dies zu vermeiden musste jeder Besucher in die Richtung des Säuglings spucken und sagen: „Pfui, Pfui... bist du hässlich...!“  Unter einen vor der Türe quer gelegten Besen legten sie ausgekühlte Feuerglut oder berührten die Kinder mit einem Eisengegenstand. Die Kopfschmerzen, welche das Kind vom Schreck durch den bösen Blick bekam, wurden diesem am Jánostag durch das Besprenkeln mit gesegnetem Wein, das Zeichen des Kreuzes markierend, kuriert.

 

Bei den Slowenen im Raabgebiet treffen sich die Verwandten in der Zeit zwischen der Taufe und der Heirat des Kindes dreimal: An der Erstkommunion, an der Firmung und zur Aushebung. Seit den 1980er Jahren kam noch die Maturfeier als Anlass für das Treffen der Verwandten hinzu. Der Verwandtenkreis reicht bis zum Vetter zweiten Grades. Ferner werden auch die meist nicht blutsverwandten Pateneltern und deren Familien in den Verwandtenkreis aufgenommen.

 

Die Brautschau fand am St. Nikolaustag statt. Der Bursche offerierte seiner Auserwählten drei Äpfel mit den Worten: „Vergolde unser Leben!“. Wenn das Mädchen die Äpfel annahm, bedeutete dies, dass sie einer Heirat mit dem Burschen einwilligte. Somit konnte der Bursche zusammen mit seinen zukünftigen Trauzeugen um die Hand des Mädchens anhalten gehen. Zur Verlobung nahm der Bursche eine Brezel und einen Liter Wein mit. Während er um die Hand des Mädchens anhielt, streute er eine handvoll Geldmünzen in ihren Schoss. Mit diesem Akt wurde der Wille zur Heirat beidseitig verstärkt. Anschliessend ging das Mädchen mit ihrer Patentante oder mit einer älteren Frau ihrer Verwandtschaft in der ganzen Gemeinde von Haus zu Haus um Geschenke zu sammeln (podaráj odi). Vor dem Zweiten Weltkrieg bekam das Mädchen vorwiegend Leinen und Eier, später Eier und Geld und heute eigentlich nur noch Geld. In der Zwischenkriegszeit sammelten sie die Geschenke mit einem auf einem Stock festgebundenen Tuch, oder einer Häkeltasche ein. Das Mädchen spann das Leinen und brachte es sodann zum Weber, welcher ihr für den zukünftigen Hausrat Tücher wob. Die Eier wurden für die Hochzeitspeisen verwendet oder auf dem Markt in Monošter / Szentgotthárd verkauft. Ursprünglich diente dieser Brauch der Linderung wirtschaftlicher Sorgen. Heute hingegen spielt er eine wichtige Rolle im Zusammenhalt der Gemeinschaft.

 

Durch das Vortragen von humorvollen Texten aus einem Brautführerbuch lud der Brautführer (zváč, drüžben) die Hochzeitsgäste ein. Sein Hut war mit Rosmarin, Zierspargel oder mit einem aus Papierblumen gefertigten Strauss (korina) geschmückt. In seiner Hand hielt er entweder einen mit farbigen (weiss, blau, rosa) Schleifen geschmückten dornigen Stock, oder einen an der Spitze mit einer Holzkugel oder einem Blumenstrauss versehenen Brautführerstock (roudjef). Am Körper des Brautführers hingen zwei Feldfalschen. In einer Feldflache befand sich Wein und in der anderen Grütze, wovon der Brautführer unterwegs und in den Häusern den Leuten anbot. Vor dem Ersten Weltkrieg führte der Brautführer sogar eine Pistole mit sich. Vor jedem Haus schoss er so viele Male in die Luft, wie Gäste vom selben Haus zur Hochzeit eingeladen wurden.

 

Vor dem Ersten Weltkrieg fand das Hochzeitsfest zuerst im Haus der Braut und später im Haus des Bräutigams statt. Bei ärmeren Familien entweder im Haus der Braut oder im Haus des Bräutigams. Der Mitternachtsschmaus bestand aus Rührei (cvrtina), welches aus hundert im Ofen gebratenen Eiern zubereitet wurde, aus Napf- und Pfannkuchen sowie aus Strudeln und Brezeln.

 

Am Ende des 19. Jahrhunderts war es in Gornji Senik / Felsõszölnök und Umgebung noch Brauch, dass sich die Frauen an der Beerdigung mit Klageworten von ihren Familienmitgliedern (Männer, Söhne, Töchter, Mütter) verabschiedeten. Im Klagelied konnte man erfahren, welche Aufgaben der Verstorbene im Kreis der Familie zu erledigen hatte:

„…Was fangen wir nun ohne dich an? Wer erarbeitet nun für uns das Brot, wer bestellt jetzt unsere Felder, wer bebaut sie, wer wird die Wiesen mähen, wer wird schöne Hosen tragen, wer beschafft jetzt Hosen aus gutem Stoff; wer wird nun früh aufstehen, wer wird die Familienmitglieder wecken; …“

 

Nach dem Klagelied bedankte sich die Witwe bei den Trauergästen dafür, dass sie ihren Gatten auf seinem letzten Weg begleiteten und lud diese zum Totenmahl ein. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts konnten sich nur die wohlhabenden Slowenen des Raabgebiets, später aber auch andere Bewohner, aus Holz, Gusseisen oder aus Stein hergestellte Gräber leisten. Die Grabkreuze aus Gusseisen färbten sie schwarz oder gelb und verzierten sie mit Mariensymbolen oder Engeln. Bis zu den 1960er Jahren waren die meisten Grabsteine in slowenischer Sprache beschriftet. Während der Beerdigung erklangen die rhythmischen Kirchenglocken. Das Läuten der Kirchenglocken war auch den ungarischen Slowenen bekannt. Die Glocken des Kirchenturmes, welche vom Glöckner manuell bedient wurden, läuteten in unterschiedlichen Rhythmen. Bis in die 1960er Jahren bestellten meistens nur die wohlhabenden Bewohner bei Beerdigungen ein Glockengeläut. Ab den 1970er Jahren konnten sich dies aber schon alle leisten. Das manuelle Läuten der Kirchenglocken machte in den 1980er Jahren dem elektrisch gesteuerten Glockenspiel Platz.

 

Bis in die 1970er Jahre stellten die Bewohner des slowenischen Raabgebiets für Anlässe wie Taufe, Armee-Rekrutierung, Hochzeit und Beerdigung aus Krepp-Papier Blumen und Sträusse her. Für die Festlichkeiten von Herbst bis zum Frühjahr wurden diese Papierblumen anstelle von echten Blumen verwendet. Mit Papierblumen schmückten die Slowenen ihre Häuser, Kirchen, Jesus- und Marienstatuen sowie zahlreiche für die Festlichkeiten notwendigen Attribute.

 

 

Übersetzung aus dem Ungarischen und Zusammenfassung: Tibor Horvat

Quelle: Mukics Mária, „A Magyarországi Szlovének; Press Publica, (2003)